Kommentar: EU-Beitritt durch die Hintertür?
Von der Leyens Besuch wirft Fragen auf – nicht nur über Symbolik, sondern über politische Absichten
Der Besuch der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Island war kein bloßer Höflichkeitsbesuch. Er kam zu einem symbolträchtigen Zeitpunkt und ging mit einer Vielzahl strategischer Ankündigungen einher – etwa dem geplanten bilateralen Sicherheitsabkommen mit der EU und einer engeren Zusammenarbeit in Fischerei- und Meeresfragen. Doch während die Regierung von einem natürlichen Fortschritt spricht, sehen andere einen politischen Kurswechsel – ohne öffentliche Debatte, ohne demokratisches Mandat.
Dass Ursula von der Leyen öffentlich erklärte, Islands alter EU-Beitrittsantrag sei noch immer gültig, zeigt, wohin die Reise gehen soll – selbst wenn die Bevölkerung darüber nie befragt wurde.
Buh-Rufe in Grindavík – die Realität sieht anders aus
Während von der Leyen mit Premierministerin Kristrún Frostadóttir per Helikopter nach Þórsmörk und anschließend nach Grindavík reiste, stieß sie nicht überall auf Zustimmung. Vor Ort wurde sie von Menschen aus der Region hörbar ausgebuht. Der Besuch in Grindavík – einer Stadt, die wegen des aktuellen Vulkanausbruchs weiterhin für die Öffentlichkeit gesperrt ist – wirkte wie eine Inszenierung politischer Stärke an einem Ort, an dem viele Menschen mit existenziellen Sorgen kämpfen.
Der Besuch wurde von vielen als zynisch empfunden, insbesondere weil in derselben Woche Anwohner von Grindavík aus Protest gegen die Öffnung der Blauen Lagune die Straße blockierten – mit der Forderung, gleich behandelt zu werden. Die Anwesenheit internationaler Spitzenpolitiker in einem gesperrten Krisengebiet wirkt vor diesem Hintergrund wie ein diplomatisches Schauspiel, das an den wahren Sorgen der Bevölkerung vorbeigeht.
Keine Debatte, kein Mandat – aber große Schritte Richtung Brüssel
Guðrún Hafsteinsdóttir, ehemalige Justizministerin, bringt es in einem Beitrag auf Facebook auf den Punkt: Island steht vor einem grundlegenden Politikwechsel – nicht durch offene Diskussion, sondern durch stillschweigende Vereinbarungen. Es gebe kein Mandat für Beitrittsgespräche, weder im Parlament noch durch eine öffentliche Abstimmung. Und doch wird bereits in Richtung Brüssel marschiert – mit Verhandlungen über Sicherheitskooperationen, engerer politischer Abstimmung und wirtschaftlicher Integration.
Die Frage steht im Raum: Wird hier eine sicherheitspolitische Umorientierung eingeleitet – ohne parlamentarische Kontrolle? Hafsteinsdóttir betont, dass eine derartige Veränderung nur mit ausdrücklicher Zustimmung von Parlament und Volk erfolgen dürfe.
Wenn aus Partnerschaft Abhängigkeit wird
Ein EU-Beitritt wäre nicht einfach ein diplomatischer Schritt – er würde fundamentale Bereiche isländischer Souveränität betreffen. Die Kontrolle über Fischerei, Energiepolitik und Verteidigung würde in wesentlichen Punkten auf Brüssel übergehen. Island würde sich einer Struktur unterwerfen, deren Entscheidungsprozesse nicht national kontrollierbar sind. Wer jetzt stillschweigend zustimmt, öffnet die Tür für eine Entwicklung, die kaum rückgängig zu machen ist.
NATO oder EU – ein sicherheitspolitischer Kurswechsel?
Die geplanten Verhandlungen über ein eigenständiges Verteidigungsabkommen mit der EU rufen zusätzliche Bedenken hervor. Bisher war Islands Sicherheitsarchitektur fest in die NATO eingebettet – mit bilateralen Vereinbarungen, insbesondere mit den USA. Die EU hingegen ist nicht primär ein Verteidigungsbündnis, sondern eine politische Union mit wachsendem Einfluss in sicherheitsrelevanten Fragen.
Island hat sich seine Unabhängigkeit hart erarbeitet – sie darf nicht in stillen Konferenzräumen verspielt werden.
Titelfoto: Von der Leyen und Premierministerin Frostadóttir in Þórsmörk / © Europäische Union, 2025
Weitere Island-News
Krimineller nach Albanien abgeschoben – drei bleiben in Haft
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu organisierter Kriminalität in Nordostisland wurde heute Morgen ein Mann nach Albanien abgeschoben. Dies bestätigte Eyþór…