Erlebe die Einsamkeit
Nördlich der beliebten Halbinsel Snaefellsnes in Westisland findest du eine wenig bereiste Halbinsel namens Fellsströnd und Skarðsströnd. Nur 20 Kilometer nach dem bekannten Bauernhof Búðardalur in Richtung Westfjorde biegst du nach links in die Straße 590 oder Klofningsvegur ein.
Die Klofningsvegur ist eine Schotterstraße, aber gut befahrbar. Sie führt dich entlang auf der gesamten Halbinsel, immer mit Blick auf den vorgelagerten Breiðafjörður und seiner reichen Vogelwelt.
Nur wenige Minuten, nachdem du abgebogen bist, befindet sich gleich links ein erster historischer Platz, Krosshólaborg. Auður-djúpúðga (Auður die Tiefsinnige) war eine der ersten Siedlerinnen in dieser Region. Sie war Christin und ließ hier ein Kreuz errichten, wohin sie zum Beten ging.
Ihre Nachkommen betrachteten Krosshólaborg als heiligen Ort. Die Frauen in Dalir stellten 1965 ein Gedenkkreuz für Auður auf. Darüber werde ich ein andermal schreiben.
Gleich daneben kannst du einen wunderschön geformten Schafspferch bestaunen. Dieser dient zum Sortieren der Schafe beim Réttir. Réttir ist der Schafsabtrieb im September, bei dem die freilaufenden Schafe aus den Bergen getrieben werden, bevor der Winter kommt. Nach alter Tradition werden alle Schafe in Pferche mit Abschnitten sortiert, die den jeweiligen Bauernhof mit seinen Herden trennen. Die Pferche müssen nicht unbedingt rund sein, es gibt auch andere Formen.
Die Schotterstraße Klofningsvegur, auf der fährst, erhielt ihren Namen vom Berg Klofningur. Von ihm hast du einen Panoramablick über den Breidafjördur bis nach Snaefellsnes. Die Straße führt direkt durch den Felsspalt des Berges.
Der Saga-Kreis
Die Halbinsel abseits der ausgetretenen Pfade wird als „Der Saga-Kreis“ bezeichnet.
Der Saga-Circle umfasst viele historische Orte, die einen Besuch Wert sind. Ich habe die Halbinsel im Jahr 2022 erkundet und drei Nächte in der Vogur Country Lodge in Fellsströnd verbracht. Die Unterkunft mit ihrem Wasserfall im Hintergrund ist ein idealer Standort, um von hier aus nach Nord und Süd auszuschwärmen und diese historischen Orte zu besuchen.
Die Siedlerfrau Auður-djúpúðga (Auður die Tiefsinnige)
Einer dieser historischen Orte in nur zehn Kilometer Entfernung des Hotels steht auf der Halbinsel Dagverðarnes-Kap. Es ist die Dagverðarneskirkja.
Als die Siedlerfrau Auður-djúpúðga (Auður die Tiefsinnige) und ihr Gefolge auf der Suche nach ihren Hochsitzsäulen waren, gingen sie offenbar zu diesem Kap und frühstückten dort. Die Halbinsel erhielt ihren Namen von „Dagverðarnes“, was so viel wie Frühstückskap bedeutet.
Anmerkung: Hochsitzsäulen spielen in der Wikingerzeit eine herausragende Rolle. Ein Hoher Sitz war eine Art Thron und ein Symbol der Autorität. Der Sitz hatte auch eine mystische Qualität. Die Pfosten ihrer Hochsitze wurden von den Schiffen aus über Bord geworfen und sie ließen sich an den Stellen nieder, an denen die Teile an Land trieben. Die Pfosten sind oft kunstvoll geschnitzt. Hier unten in den beiden Fotos siehst du nachgestellte aus dem Wikingerdorf in Thingeyri in den Westfjorden.
Die Dagverðarneskirkja
Der Weg zur Dagverðarneskirkja führt entlang eines teils rechts unwegig zu fahrenden Pfades. Es gibt tiefe Schlaglöcher. Entlang des Weges gibt es aber auch eine interessante Vegetation.
Fünf Kilometer musst du diesen Rumpelweg durchhalten, dann stehst du vor einer kleinen Holzkirche, eingedeckt mit Wellblech. Das ist also Dagverðarneskirkja, umgeben von einem Friedhof mit ein paar Gräbern, teils aus dem 18. Jahrhundert. Allesamt blicken durch das hier und da gemähte oder hohe Gras auf den Breidafjördur. Eine schöne Umgebung für einen Friedhof, denke ich. Und wer kommt hier an eine so abgelegene Stelle zum Mähen, frage ich mich?
Geschichte der Dagverðarneskirkja
Ist es nicht faszinierend, dass Dagverðarneskirkja ihre Wurzeln in einer älteren Kirche hat, die vor fast einem Jahrhundert erbaut wurde? 1934 aus dem Holz ihrer Vorgängerin gebaut, erzählt sie von der Tradition und dem Erbe, das in ihr steckt. Mit ihren knapp sechs Metern Breite und zehn Metern Länge strahlt sie eine bescheidene Schönheit aus, die man nicht übersehen kann.
Obwohl sie einfach gehalten ist, hat sie immer noch eine Seele und eine Geschichte zu erzählen. Kannst du dir das vorstellen, hier soll nur ein Mal im Jahr eine Andacht stattfinden? Danach bleibt sie ein ganzes Jahr lang leer und verlassen.
Welch ein besonderes Moment das sein muss, umgeben von der Geschichte und dem Spirit dieser Kirche? Ein Ort, der mich daran erinnert, dass manchmal weniger eben doch mehr ist.
Leider hat das Wetter seine Spuren hinterlassen und bei meinem Besuch habe ich gemerkt, dass sie schon etwas gelitten hat.
Um das Schlüsselloch der Kirche gibt es eine schmiedeeiserne Gravur mit der Jahreszahl 1867.
Die Kirchenglocken
Die Kirche hat zwei Glocken, die sich in der Kirchendecke über dem Eingang befinden. Die Glocken werden durch einfaches Schlagen geläutet.
Hier im Video kannst du das Läuten der Glocken per Hand sehen.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Guðmundur Karl Einarsson, der mir die Verwendung und Verlinkung zu seinem Video erlaubte. Er ist seit 20 Jahren Fluglotse und Schichtleiter in der Flugsicherungszentrale in Reykjavik. In seiner Freizeit hat er das Projekt „Kirchenglocken in Island“ ins Leben gerufen. Sein Ziel ist es, Informationen und Klänge der Kirchenglocken in Island zu dokumentieren.
Denkmalschutz
Im August 2009 wurde die Kirche auf die Liste der geschützten Häuser gesetzt und steht nun unter Denkmalschutz.
Umgebung
Neben der Kirche steht ein Wohngebäude und ich habe mich gefragt, wer hier wohl wann noch wohnen wird?
Und es gibt ein hölzernes Toilettenhäuschen. Wann wird es das letzte Mal benutzt worden sein?
Auf dem Rückweg fallen mir noch zwei verlassene Häuser jenseits des Weges auf. Auch hier stellt sich mir dieselbe Frage, wer hat hier wohl zuletzt gewohnt?
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