Familie, Gleichstellung und Lohngleichheit gehen vor in Island
Vom 2.-6. Mai 2023 reiste eine Delegation des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages nach Island.
Der Delegation gehörten der Vorsitzende des Ausschusses, Bernd Rützel (SPD), Angelika Glöckner (SPD), Annika Klose (SPD), Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Jens Beeck (FDP), Jana Schimke (CDU/CSU), Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) und Susanne Ferschl (DIE LINKE) an. Der deutsche Botschafter in Island, Dietrich Becker, begleitete die Delegation bei den Gesprächen.
In den Mittelpunkt des Informationsbesuches stellten die Abgeordneten Fragen der Lohngleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern bei gleicher Qualifikation und des „Quality of Life Deal“.
Das Besuchsprogramm umfasste unter anderem Gespräche im Ministerium für soziale Angelegenheiten und Arbeit, Besuch des isländischen Parlaments Althingi, Gespräche mit Mitgliedern des Ausschusses für Wohlfahrt, Gespräch im Departement für Genderfragen und Menschenrechte im Amt der Premierministerin, Gespräch mit dem Gewerkschaftsdachverband ASE, Gespräch beim Verband der Staats- und Kommunalangestellten BSRB, Gespräch mit dem Arbeitgeberdachverband SA sowie ein Gespräch an der Universität Haskoli Islands.
Ich habe mit den Bundestagsabgeordneten Angelika Glöckner, Beate Müller-Gemmeke, Jens Beeck, Jana Schimke und Susanne Ferschl Interviews geführt und sie nach ihren Eindrücken in Reykjavik befragt.
Angelika Glöckner (SPD):

Was können Sie über die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Island im Vergleich zu Deutschland sagen?
Sowohl in Deutschland als auch in Island gibt es nach wie vor eine Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Erfreulich ist, dass aufgrund gesetzlicher Maßnahmen die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen verringert werden konnte. In Deutschland trat das Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Das Gesetzt regelt, dass Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit auch gleich bezahlt werden müssen. Die Lohnlücke verringerte sich um 2 Prozent von circa 20 Prozent im Jahr 2020 auf 18 Prozent im Jahr 2022. Das ist in Deutschland eine Verbesserung um 2 Prozent. Gleichwohl ist die Lohnlücke in Deutschland noch viel zu hoch. Die Gründe für die Lohnlücke bestehen darin, dass 47 Prozent der beschäftigten Frauen in Teilzeit arbeiten und knapp 62 Prozent aller sogenannten Minijobs werden von Frauen ausgeübt. In Deutschland ist die Lohnlücke nach wie vor zu hoch.
In Island liegt die Lohnlücke bei ca. 10,4 Prozent im privaten Sektor, im öffentlichen Sektor ist die Lohnlücke mit 8,2 Prozent sogar noch niedriger. Damit ist die Lohnlücke in den Jahren seit 2011 um mehr als 10 Prozent verringert worden. Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt ist in Island ganz oben in der Priorität. Daher soll die Lohnlücke weiter verringert werden.
Unternehmen müssen die Entgeltgleichheit umsetzen und werden regelmäßig geprüft und dann zertifiziert. Auch Sanktionen können ausgesprochen werden. Aufgrund der Covid-Pandemie haben sich die Maßnahmen verzögert. Inwieweit die Maßnahmen greifen, wird sich daher in den nächsten Jahren erst noch zeigen.
Welchen Input erhielten Sie beim Gespräch mit dem Verband der Staats- und Kommunalangestellten und dem Arbeitgeberdachverband in Bezug auf Arbeitnehmerfragen?
Der Verband der Staats- und Kommunalangestellten ist sehr stolz auf die hohe Tarifbindung von über 90 Prozent. Er begrüßt die getroffenen Maßnahmen zu Schließung der Entgeltlücke. Sehr betont wurden die Maßnahmen zur Erhöhung der Elternzeit für beide Elternteile gleichermaßen auf 12 Monate. Wenn die Elternzeit nicht klar zugeordnet ist zu Männern und Frauen, dann sind es am Ende doch die Frauen, die überwiegend zu Hause bleiben. Es haben noch nie so viele Väter Erziehungszeit genommen, aber der flexible Teil wird immer noch vermehrt von den Frauen genommen.
Wir bewegen uns hin zu einer kürzeren Arbeitswoche in Island. Derzeit ist es seit 2021 die 36-Stunden–Woche im öffentlichen Bereich.
Für uns in Deutschland sind das sehr interessante Aspekte. Wir stehen mit der Diskussion zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit noch ganz am Anfang und sind deshalb auch sehr interessiert auf die ersten Ergebnisse zu den Auswertungen der verkürzten Wochenarbeitszeit. Es wird seitens der Gewerkschaften erwartet, dass die Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu einer erhöhten Produktivität führt.
Ganz anders sehen das die Arbeitgeberverbände in Island. Sie befürchten, dass die erwartete höhere Produktivität sich nicht einstellen wird. Und sehen eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit sehr skeptisch. Außerdem betrachten sie das Gesetz zur Verringerung der Lohnlücke mit großer Skepsis. Sie befürchten durch die Zertifizierung einen sehr großen bürokratischen Aufwand.
Was konnten Sie in Bezug auf das neue Gleichstellungsgesetz in Island für Ihre Politik in Deutschland mitnehmen?
Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt ist in Island ganz oben in der Priorität. Auch in Deutschland sollte die Verringerung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen mehr Beachtung schenken. Die gesetzliche Regelung der Zertifizierung von Unternehmen und auch die Möglichkeit von Sanktionsmaßnahmen sollten wir auch in Deutschland prüfen. Denn in Deutschland sind weitergehende Maßnahmen zur weiteren Verringerung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen mit 18 Prozent noch immer viel zu hoch.
Das isländische Parlament Alþingi hat die digitale Abstimmung bereits eingeführt. Wann wird es im Deutschen Bundestag ein modernes Abstimmungssystem geben?
Wir haben mit großer Faszination das isländische Parlament besucht. Es ist viel kleiner als der Deutsche Bundestag und es ist beeindruckend, dass dort jede Abstimmung schon digital möglich ist. In Deutschland kennen wir das System der Namentlichen Abstimmung. Es werden Namenskärtchen in Urnen eingeworfen und gezählt und die Abstimmung eines jeden Abgeordneten im Internet veröffentlicht. Dieses Abstimmungssystem erfolgt auf Antrag einer Fraktion. Ansonsten stimmen die Abgeordneten im Bundestag immer per Handzeichen ab. Wann eine digitale Abstimmung eingeführt wird, wird zwar diskutiert, ist aber noch nicht terminiert.
Was können Sie über das Gespräch an der Universität Haskoli berichten? Gibt es einen Austausch mit Deutschland?
70 Prozent der Studierenden sind mittlerweile Frauen. Am Anfang im Jahr 1911 waren es gerade mal 54 Frauen. Gleichheit und Gleichberechtigung werden als wichtig für die Universität aber auch für Gesellschaft angesehen. An der Uni gibt es auch deutsche Studierende. Partner-Uni ist die Uni Duisburg. In den Masterstudiengängen wird überwiegend Englisch gesprochen. Auch Migranten studieren. Hierzu gibt es spezielle Programme, damit die Migranten nicht abgehängt werden. Internationale Zusammenarbeit ist der Uni besonders wichtig. Der Fokus liegt auf Gleichstellung. Gleichstellung gilt als eine der Werte der Uni. Es gibt auch extra einen Ausschuss, der sich an der Uni mit Gleichstellungsthemen befasst.
Was sind die Gründe, dass mehr Frauen studieren? Es reicht nicht, nur über Akademisierung zu sprechen. Frauen mit Uni-Bildung werden häufig nicht besser bezahlt als Männer auf dem Bau zum Beispiel. Bei Männern und Frauenabschlüssen von Frauen und Männern sind Männer in der Regel immer noch besser bezahlt, bei gleicher Ausbildung.
Es wurden Kontaktdaten ausgetauscht, um im Falle von Fragen schnell miteinander in Kontakt treten zu können.
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Welche Unterschiede konnten Sie im Vergleich zu Deutschland in der Gleichstellung von Mann und Frau und bei EqualPay ausmachen?
Wenn es um Gleichstellung geht, ist uns Island aktuell weit voraus. In Gleichberechtigungs-Rankings nimmt der Inselstaat international eine Spitzenreiterposition ein. Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern gehört zu den geringsten weltweit. Bereits im Jahr 2008 verabschiedete Island ein Gesetz über Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Und seit Inkrafttreten einer Gesetzesänderung 2018 müssen Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten faktisch nachweisen, dass sie ihren Angestellten unabhängig vom Geschlecht den gleichen Lohn bezahlen. Und das heißt, alle Unternehmen dieser Beschäftigungsgröße müssen diesen Zertifizierungsprozess durchlaufen. Wird das Zertifikat nicht rechtzeitig vorgelegt oder zahlt ein Unternehmen einem männlichen Mitarbeiter – trotz gleicher Qualifikation – mehr als einer weiblichen Kollegin, drohen Bußgelder. Wichtig ist auch, dass Löhne in Island insgesamt deutlich transparenter – und zwar für jeden nachvollziehbar aufgeschlüsselt – sind.
Es gibt also einen ganz wesentlichen Unterschied zu unserem Entgelttransparenzgesetz in Deutschland, das leider weder Lohngerechtigkeit noch Transparenz schafft. In Island ist das Gebot der Entgeltgleichheit bereits gelebte gesellschaftliche Realität. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir in Deutschland leider immer noch weit entfernt.
Ein gutes Beispiel ist Island außerdem auch beim Thema Elternzeit, die Väter und Mütter zu gleichen Teilen in Anspruch nehmen können – jeweils 6 Monate und das heißt 12 Monate Elterngeld insgesamt – nur sechs Wochen können auf den anderen Elternteil übertragen werden.
Sie haben auf Ihrem Instagram-Account das Hashtag #Trauergeld verlinkt. Was konnten Sie bei Ihren Gesprächen dazu erfahren?
Auch beim Thema Trauer ist Island enorm fortschrittlich. Denn dabei geht es um nicht weniger als die Möglichkeit, den tiefen persönlichen Verlust im Falle einer Fehl- oder Totgeburt zu bewältigen und zwar ohne sich krankschreiben lassen zu müssen.
Und deshalb gibt es in Island bezahlten Urlaub und Elterngeld, wenn es zu einer Fehlgeburt oder zu einer Totgeburt kommt: Führt eine Schwangerschaft nach der 18. Woche zu einer Fehlgeburt, haben die Eltern bis zu zwei Monate – ab dem Tag der Fehlgeburt – Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Elterngeld und nach der 22. Woche bis zu drei Monate. Das ist eine wichtige und gute Regelung, denn Trauer braucht Zeit und die müssen wir geben.
Kann Deutschland in Bezug auf Führungspositionen in der Arbeitswelt von Island lernen?
Ja – auch was die Anzahl der Frauen in Führungspositionen angeht, können wir uns tatsächlich einiges von Island abschauen. Denn in Island sind insgesamt mehr Frauen in Führungspositionen und das steht auch im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Konsens in der Gleichstellung, zu dem die isländische Gesellschaft bereits gefunden hat. Frauen haben in Island zudem die besseren Abschlüsse, sie absolvieren häufiger ein Studium.
Was sind Ihre Gedanken bezüglich der geschichtlichen Hintergründe?
Island hat eine lange Geschichte der Gleichstellung. Wichtig aber war vor allem der 24. Oktober 1975: Frauenorganisationen hatten den sogenannten Frauenruhetag ausgerufen, um für mehr Gleichberechtigung zu kämpfen. Die isländischen Frauen legten ihre Arbeit nieder und traten in einen großflächigen Frauenstreik. Sie forderten mehr Gleichheit, eine gerechte Bezahlung und eine bessere Kinderbetreuung – mit Erfolg.
Sie gaben damit den Anstoß für die Gleichstellung der Geschlechter in Island und trugen maßgeblich dazu bei, dass Island heute das Land mit dem höchsten Maß an Gleichstellung von Frauen und Männern weltweit ist. Der Frauenstreiktag hat auch unmittelbar für Fortschritte gesorgt. Denn bereits 1976 passierte ein entsprechendes Gleichstellungsgesetz das Parlament – und im Jahr 1980 wurde mit Vigdís Finnbogadóttir das erste Mal eine Frau Präsidentin des Inselstaates. (Anmerkung der Redaktion: Vigdís Finnbogadóttir war von 1980-1996 Präsidentin von Island)
Jens Beeck (FDP):

Auf Ihrem Instagram-Account zeigen Sie das „Monument des unbekannten Bürokraten“ am Tjörnin, dem Stadtteich in Reykjavik. Wie bürokratisch oder unbürokratisch kam Ihnen Island vor?
In den Gesprächen vor Ort wurde eines sehr sichtbar: Island geht die Probleme mit Pragmatismus an. Man merkt, dass die Isländer sich als eine an Effizienz orientierte Gesellschaft verstehen und überbordende Bürokratie vermeiden. Zudem bestehen weniger staatliche Ebenen als in Deutschland. Das führt zu einer agileren und effizienteren öffentlichen Verwaltung. Das Monument hat mir deshalb gut gefallen, weil es verdeutlicht, wie sehr uns ein Übermaß an Bürokratie als Gesellschaft bremst. Sie wird für jeden und jede zur Last des Alltags.
Gleich nach Ihrer Ankunft gab es im Ministerium für Soziales und Arbeit ein Gespräch über Elternzeit. Was sind die Unterschiede zu Deutschland?
Der Anspruch auf Elternzeit ist in Island anders geregelt als in Deutschland, denn die Zeit wird gleichberechtigter als in Deutschland auf Mutter und Vater verteilt. So teilen sich Eltern in Island 12 Monate Elternzeit, von denen zusätzlich sechs Wochen zwischen den Elternteilen getauscht werden können. Gut finde ich daran, dass in Island den Eltern trotzdem nichts vorgeschrieben wird. Zudem müssen Eltern in Island keinen Kitaplatz suchen, denn wer einen Platz braucht, bekommt auch einen.
Das isländische Parlament Alþingi hat die digitale Abstimmung bereits eingeführt. In Island ist es inzwischen außerdem unüblich, mit Bargeld zu bezahlen. Wann wird es im Deutschen Bundestag ein modernes Abstimmungssystem geben und glauben Sie, dass sich in Deutschland die bargeldlose Bezahlung auch durchsetzen wird?
In Deutschland befindet sich die Bundestagsverwaltung bereits in der Beratung zu digitalen Abstimmungsmöglichkeiten. Aktuell diskutiert eine Kommission im Ältestenrat unterschiedliche Ansätze. Man darf nicht unterschätzen, dass das deutsche Parlament um einiges größer ist als das isländische Alþingi, dennoch ist es Zeit, dass wir hier handeln und die Abstimmungskärtchen aus dem Parlament verschwinden.
In Deutschland wird heute auch bereits viel bargeldlos bezahlt, die Pandemie war hier sicherlich ein entsprechender Treiber. Richtig ist aber, dass der Anteil bargeldloser Zahlungen deutlich geringer ist als in Island. Ich glaube jedoch, dass der Wunsch in der deutschen Bevölkerung auch weiterhin bar zahlen zu können groß ist.
Island ist weltweit das Land mit der geringsten Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Was kann die deutsche Politik davon lernen?
Dass die Lohnlücke in Island so gering ist, hat auch etwas mit der Lohntransparenz zu tun. Hier wird transparent hergeleitet und dokumentiert, wie ein Gehalt zustande kommt, was schlussendlich auch positive Auswirkungen auf die Besetzung von offenen Arbeitsstellen in Unternehmen haben kann. In Deutschland gibt es schon das Entgelttransparenzgesetz, nun wird noch eine schärfere EU-Richtlinie hinzukommen; von den Standards in Island sind wir natürlich noch weit entfernt. Fest steht für mich: Bei gleicher Leistung dürfen Frauen und Männer nicht aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich bezahlt werden.
Jana Schimke (CDU/CSU):

Welchen Eindruck haben Sie von Island mit nach Hause gebracht?
Island ist etwas ganz Besonderes, in jederlei Hinsicht: historisch, kulturell und landschaftlich. Ich habe dies alles mit Neugier und Bewunderung auf mich wirken lassen. Besondere Faszination erfuhren durch uns auch die Dimensionen des politischen Alltags. Alles ist deutlich kleiner, als wir es von Deutschland gewohnt sind. Dennoch spürt man in jedem Raum des Parlaments und an vielen Orten Reykjaviks sowie der Insel insgesamt die stolze und bewegte Geschichte Islands.
Island ist weltweit das Land mit der geringsten Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Was kann die deutsche Politik davon lernen?
Eine Lohnlücke ist immer Ausdruck gesellschaftlicher Parameter, wie die Berufswahl, der Bildungsgrad oder auch der Karriereverlauf von Frauen und Männern. Wir können von Island lernen, was ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Miteinander von Mann und Frau, unabhängig von politischer Regulierung bewirken kann. In Island wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weniger verordnet, sie wird gelebt. Konkret spürten wir das bei unseren Bemühungen, Gesprächspartner in die späten Nachmittags- und Abendstunden zu bekommen. Familie geht vor in Island. Wenn Mann und Frau sich einig sind, dass Sorgearbeit beiderseitige Verantwortung mit sich bringt, dann zeigt sich dies ganz konkret auch beim geringen Gender Pay Gap.
Das isländische Parlament Alþingi hat die digitale Abstimmung bereits eingeführt. In Island ist es inzwischen außerdem unüblich, mit Bargeld zu bezahlen. Wann wird es im Deutschen Bundestag ein modernes Abstimmungssystem geben und glauben Sie, dass sich in Deutschland die bargeldlose Bezahlung auch durchsetzen wird?
Sie können sich vorstellen, dass das digitale Abstimmungssystem im Parlament Islands bei uns sowohl zu Erheiterung als auch Nachdenklichkeit geführt hat. Anderenorts geht das, was bei uns nicht möglich sein soll? Das versteht kein Mensch, wir auch nicht.
Die bargeldlose Bezahlung nimmt natürlich auch bei uns immer mehr zu. Doch auch kritische Argumente nehmen wir ernst. Nicht jeder Bürger möchte, dass sein Einkaufsverhalten auf Schritt und Tritt einsehbar ist. Hier geht es um Persönlichkeits- und Freiheitsrechte. Deshalb sollte beides möglich sein.
Was können Sie über Ihren Besuch der Fregatte M/V sagen, die zu Ihrer Reise im Rahmen einer NATO-Großübung im Hafen von Reykjavik lag?
Dieser spontane Besuch wird uns lange in Erinnerung bleiben und wir sind sehr dankbar dafür. Fregattenkapitän Hendrik Wißler informierte uns über den Alltag der Kameraden an Bord und wir kamen mit ihnen ins Gespräch. Diese Großübung findet unter bedeutsamen außenpolitischen Rahmenbedingungen statt. Es ist unsere Pflicht, den Streitkräften unseren Dank und Respekt auszudrücken. Dies haben wir getan.
Welche Unterschiede konnten Sie im Vergleich zu Deutschland in der Gleichstellung von Mann und Frau und im EqualPay in Island ausmachen?
Der Gender Pay Gap ist in Deutschland in den letzten Jahren von 23 Prozent auf heute 17 Prozent gesunken. Das ist gut. Dennoch liegt er damit noch deutlich über dem isländischen Durchschnitt, obwohl unser Arbeitsrecht bis ins kleinste Detail reguliert ist. Doch hier wirken dieselben berufsbezogenen Parameter von Frauen und Männern, wie überall. Ein gesamtwirtschaftlicher Gender Pay Gap entsteht durch unterschiedliche Erwerbsverläufe von Frauen und Männern. Das betrifft die Berufswahl, aber auch den beruflichen Aufstieg. Deutschlands Wirtschaftsstruktur ist stark industriell geprägt. In Island hingegen nimmt allein die Tourismuswirtschaft 40% am Bruttoinlandsprodukt ein, in Deutschland nur 4%. Das zeigt, dass es unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen gibt, die zu einer unterschiedlichen Repräsentanz von Frauen und Männern führen können und die auch ein Gesetz nicht überwinden kann.
Susanne Ferschl (DIE LINKE):

Welchen Input erhielten Sie bei den Gesprächen mit dem Verband der Staats- und Kommunalangestellten und dem Arbeitgeberdachverband, dem Gewerkschaftsdachverband ASE und beim Gespräch mit dem Arbeitgeberdachverband SA in Bezug auf Arbeitnehmerfragen?
In allen Gesprächen ging es im Schwerpunkt um Equal Pay, Arbeitszeiten und grundsätzlich um Gender Equality. Gleichstellung hängt natürlich eng mit der Bezahlung und den Arbeitszeiten zusammen.
Besonders interessant fand ich die Erfahrungen im Bereich des öffentlichen Dienstes. Die Arbeitszeiten wurden hier auf 36h bzw. im Schichtbetrieb sogar auf 32h abgesenkt und die Konsequenz war, dass diese Berufe deutlich an Attraktivität gewonnen haben, auch und insbesondere für Frauen.
Was können Sie über das Gespräch an der Universität Haskoli Islands berichten? Gibt es einen Austausch mit Deutschland?
Auch dieses Gespräch war sehr interessant und beleuchtete Gender Equality unter wissenschaftlichen Aspekten, ein Austausch findet statt.
Was können Sie über die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Island im Vergleich zu Deutschland sagen?
In Island gibt es ebenfalls eine Lohnlücke, sie fällt aber mit 10% deutlich geringer aus, als mit 18% in Deutschland. Ich bin überzeugt, dass das auf die Anstrengungen und Bemühungen in Island zurück zu führen ist und denke, dass die Frage der Bezahlung und der Arbeitszeit auch in Deutschland in Angriff genommen werden müssen, wenn wir die Lohnlücke hierzulande verringern wollen.
Das isländische Parlament Alþingi hat die digitale Abstimmung bereits eingeführt. In Island ist es inzwischen außerdem unüblich, mit Bargeld zu bezahlen. Wann wird es im Deutschen Bundestag ein modernes Abstimmungssystem geben und glauben Sie, dass sich in Deutschland die bargeldlose Bezahlung auch durchsetzen wird?
Ich weiß nicht, ob und wann im Deutschen Bundestag ein digitales Abstimmungssystem zum Einsatz kommen soll, sicherlich bietet dieses aber natürlich Vorteile. Eine ausschließlich bargeldlose Bezahlung halte ich nicht für den richtigen Weg, es sollten beide Möglichkeiten bestehen bleiben. Auch in Island konnte man sowohl bar als auch mit Karte bezahlen.
Ich bedanke mich für das ausführliche Interview und die Zurverfügungstellung des Gruppenfotos.